RUNDE 7 Abend 5, 8.5.24 - Übergang 4 Resultate : "Von Szene zu Szene" / Aufgabe Ü5 "Von Gesichtspunkt zu Gesichtspunkt"

 

1 Intro

Ideen und Wünsche zu Runde 8?  PLOT , GENRES und REALITÄT vs ERFINDUNG


2 Zur Challenge und der damit verbundenen Diskussion über die Fotografie - oder: "Realität versus Fiktion ?"

Aufgabe: Aufbereitung von Fotografien als 

- anekdotisches, protokollierendes und dokumentarisches Element
 
- und was künstlerisch, ästhetisch im Sinne von Wahrnehmung mit einem Foto alles gemacht werden kann (kurze Demo der Möglichkeiten der Bildverfremdung/Reduzierung - also das, was früher im Labor als eigentliche Arbeit am Bild entstand: Auswahl, Kontrast, Belichtung (high key vs. low key)

Aufgabe: Nehmt ein kleines Set von Aufnahmen (2,3) und zeigt uns eure Methode(n) und Tricks, daraus "künstlerische" Anblicke im Zusammenhang einer GN zu machen!

(Ich erzähle zum Auftakt ganz subjektiv meine ersten Erfahrungen mit Fotografie und die Geschichte meines ersten Fotoapparates, Agfamatic in zeitgemäßer Jeanstasche, ein "Must have" der 70er. Ich muss so zw. 14 und 16 gewesen sein. Schon damals die Erfahrung zwischen Poesie oder Wahrheit: Bäume spiegeln sich im Eisweiher versus Familienfotos am Sonntag - schon damals unlösbar und irgendwie verbunden... ich erklär und stelle eine steile These in den Raum...)

Ich schrieb im Blog: Die Challenge versucht den „Grat“ herauszuarbeiten, auf dem Fotografie 

- als Werkzeug der Wiedergabe von Realität einerseits und 

- andererseits Gestaltungsmittel einer Idee oder Konstruktion ist, das sich der Fotografie lediglich bedient. 


Realität des Fotografischen:

Im einen Fall reicht die Spanne der Verwendung von Fotos vom 

- rein subjektiven und zufälligen Schnappschuß (Anekdote) über das 

- blosse Festhalten von Sachverhalten (Protokoll, etwa eines Umbaus von „Vorher-Nachher“ oder als Erinnerungsstütze etwa beim Wiederfinden eines Parkplatzes in unbekannter Umgebung) bis zur

-  Erzählung eines komplexeren Vorgangs in der Wirklichkeit (Etwas als aufwändige Recherchearbeit  zB wie kommt eine Übermenge von Dünger in ein Lagerhaus im Hafen von Beirut - ein sozusagen erweitertes Protokoll, das subjektive Schlussverfahren des Autors in Kauf nimmt, um eine Erzählung zu einer These zu verdichten). 

Letzteres berührt die Grenze des Fiktionalen, da  - und hier wird es auch für uns wichtig und produktiv: auf INDUKTION setzende Erzählung! 


"Poesie" des Fotografischen (ich erklär den Sinn des gewagten Begriffs, Bedeutung von Poiesis = Auslegung, Interpretation im weitesten Sinn)

Das im gelungenen Fall Wahrheiten konstruierende oder kreiierende Fiktionale der Kunst ist die andere Seite des „Grates“ der Verwendung von bilderzeugenden/-nutzenden Mitteln. 

Für die Fotografie besteht m.E. immer das Problem, dass sie auf den ersten Blick immer zuerst vorgibt, nichts als die Wahrheit des Augenblicks zu sein und damit Realität an sich - ihr das Konstruktive, Ideenhaltige abzuringen bedarf m.E. also eines weiteren Aktes eines Autors mit Absichten - also eines kreativen Gestaltungsaktes. 

Genau darüber wollte ich heute gerne mit euch bei der Verwendung von Fotografie im Fiktionalen oder Erzählerischen diskutieren. 

FRAGEN:

Welche Mittel über den technischen Apparat hinaus können wir einsetzen, um aus einem Foto eine künstlerisches Mittel zwischen Augenblicksnotiz und Metapher/Symbol zu machen?

Zeigt eure Methoden im Umgang mit Fotografie und fotografischen Vorlagen aus allen Kanälen (von klassisch aus dem "Stern" gerissen bis zeitgenössisch gegoogelt...)

! Welche Rolle spielen bei der Fotografie/fotografischen Vorlagen

- subjektive Blickwinkel, 

- Motivwahl, 

- Ausschnitt, 

- Färbung, 

- Entwicklung, 

- Präsentation (techn. und kontextuelle, also wo und wie zeige ich...)?

Bin auf eure Sammlung von Erfahrungen und Deutungen im Umgang mit fotografischen Vorlagen sehr gespannt.



Wirklich ganz kurzer Exkurs zur Frage, ob der Blick eine Geschichte hat:










Eure Methoden im Umgang mit Fotografie:



Hans Jürgen




Es ist ein Beispiel für Übergang 5, zeigt eine Umgebung, dient auch als establishing Shot

Technik: ein Foto, 

Ausschnitte mit Procreate, 

danach durch den Notanizer verändert und mit 

Comic Life zusammengefasst




NOTAN - Konzept:

Erklärung von Sir Arthur Wesley Dow: ‎"Der Begriff Notan, ein japanisches Wort, das "dunkel, hell" bedeutet (oder eigentlich "konzentriert, schwach"), bezieht sich auf die Menge des reflektierten Lichts oder die Masse von Tönen unterschiedlicher Werte. Notan-Schönheit bedeutet die Harmonie, die sich aus der Kombination von dunklen und hellen Räumen – ob farbig oder nicht – ergibt, sei es in Gebäuden, in Bildern oder in der Natur. Es sollte sorgfältig unterschieden werden zwischen Notan, einem Element universeller Schönheit, und Licht und Schatten, einer einzigen Tatsache äußerer Natur."‎

Arthur Wesley Dow, Composition: A Series of Exercises in Art Structure for the Use of Students and Teachers , USA 1899

https://blog.herz-der-kunst.ch/notan-und-der-bildentwurf/


Boris







Christoph








1. Set von Aufnahmen – Tricks und Methoden

a. Markt: Bild 1a Totale / 1b: KInder sitzen am Rand / 1c: Mann beobachtet Jungs


b. Cop in Bahnhof: Bildmanipulation

i. Originalbild

ii. 2a: Meist die erste Abstraktionsebene: Schwarz/Weiß, ggf mit verstärktem Kontrast

iii. 2b: Topographische Verzerrungen (Hier: Cop wird vergrößert, Passant verkleinert)

iv. 2c: Farbliche Verzerrungen erzeugen ein „poppigeres“ Aussehen

v. 2d: Entfernen einzelner Bildelemente

vi. Das lässt sich ad infinitum weiterführen: z. B. Hinzufügen von Bildelementen / Verschärfung von Umrissen bei gleichzeitiger Reduzierung von Kontrasten (erzeugt Effekt als ob das Bild gezeichnet wäre... und so weiter. 

Technisches Problem hierbei: Affinity ist in der Benutzerführung sehr komplex; es geling selten, einen Effekt beim nächsten Mal wieder genauso hinzubekommen. 



Carola






gestalterisches Bildmaterial auf grafisches herunterfahren , 

Komposition verarbeiten , 

verfremden , 

Wesentlich machen !



3 Stand der Dinge


Hans Jürgen






Boris





Carola






Christoph







4 Zusammenfassung zum Übergang 3 "Von Gegenstand zu Gegenstand"


Was ist Induktion - und wo ist dieses Prinzip in  Ü1-6 präsent?

Was kann man damit anfangen?

Gibt es einen bestimmten Verwendungszweck oder "Clou" dieses Übergangs ?

Habt ihr besondere und im Buch nicht genannte oder nur angedeutete Erfahrungen gemacht?

In Bezug auf eure Arbeit, welchen Stellenwert hat dieser Übergang für euch, wie werdet ihr ihn produktiv für euren Plot machen?



Was bedeutet induktiv und deduktiv? 

Entscheidest du dich für ein induktives Vorgehen, führst du eine eigene Forschung durch und leitest anschließend eine allgemeine Theorie ab. 
Deduktives Vorgehen dagegen bedeutet, dass du eine bestehende Theorie prüfst, indem du eine eigene Forschung durchführst.

Also:
Während es bei deduktiven Verfahren darum geht, erstellte Theorien empirisch zu überprüfen, geht es bei induktiven Verfahren darum, aus empirischen Befunden eine Theorie zu erstellen.



Hans Jürgen:


Und hier meine Gedankenschnipsel zu den Panelübergängen:

Von Augenblick zu Augenblick (vAzA)
• Aufbau von Spannung
• Psychische Eindrücke des Protagonisten (o.a.) sichtbar machen (Verzweiflung, Verwirrung, Angst, aufkommender Zorn/Wut, …
• Innehalten der Handlung, Verzögerung, gewissermaßen ein Cut in der Handlung

Von Handlung  zu Handlung (vHzH)
• Bezieht sich auf einen Protagonisten oder Objekt oder Objektgruppe
• Eine Handlung induziert logisch (eigentlich) die nächste Handlung – kausale Zusammenhänge
• Idee: am Anschluss einer Handlung eine nicht offensichtliche Handlung geschehen lassen – chaotische Brüche ???   

Von Gegenstand (Sachverhalt) zu Gegenstand (Sachverhalt) (vGzG)
Von Panel zu Panel geschieht ein Handlungsübergang, der als solcher nicht gezeigt wird, sondern indirekt vom Betrachter zu ergründen ist. Die offensichtlichen Handlungszusammenhänge bleiben erhalten, sind aber nicht eindeutig sichtbar.
• Überraschende, aber logisch nachvollziehbare Wendungen
• Handlungsaufeinanderfolge, die nicht bildlich konsistent sind, wie in vAzA oder VHzH
Beispiel vGzG
• Stadt Uruk im Land der Sumerer Ende des 4. Jahrtausends v.Chr.
• Zoom auf ein Fenster
• Schwenk in den Raum des Fenster mit Schafhirt und Schafhändler
• Dialog über Aufbewahrung der Zählsteine für die Schafe

Meine Beobachtungen zu „von Szene zu Szene „: Von Szene zu Szene ist wie ein Kulissenwechsel im Theater 
die Kulisse bleibt gleich, d.h. Zeitwechsel, 
die Kulisse ändert sich, d.h. Ort- oder Zeitwechsel
Nutzbar für Zukunftsszenen, Rückblenden, Gedankenbilder (Träume), eintauchen in andere Welten 
Der Übergang sollte aber logisch, erfassbar sein.
Man kann damit eine Story verkürzen.
Der Übergang erfordert vom Leser eine aufmerksame „Schlussfolgerungsfähigkeit“ - was ist in der Zwischenzeit oder Zwischenraum geschehen? Kann er das nachvollziehen? Vorsicht vor falschen Schlüssen - es sei denn es ist beabsichtigt.


Christoph:


Zu Übergang 3: Von Gegenstand zu Gegenstand, aber innerhalb einer Szene
- Dieser Übergang abstrahiert einen Vorgang, eine Aktion. Es ist genau diese Abstraktion, die dem Leser die Aufgabe überträgt, selbst ein wenig nachzudenken – und gleichzeitig der Phantasie ein wenig Freiheit gibt. Letzteres macht die Geschichte interessanter, es bringt Spannung hinein, weil sich der Leser jedesmal ein Stück dazu denken kann – und auch muss. 
- Man muss dabei aber aufpassen, den Sprung zwischen den Bildern nicht zu groß werden zu lassen, sonst besteht die Gefahr, dass der Leser die Orientierung verliert und den Zusammenhang zwischen den Panels nicht mehr intuitiv herstellen kann. Diese Intuition ist es, was eine wirklich gute (also spannende) Bildergeschichte ausmacht... jedenfalls bei mir als Leser. 
- In meiner Geschichte „Redaktionsschluss 2“ habe ich diesen Übergang zwischen den beiden letzten Panels genutzt. Ursprünglich hatte ich einen anderen (Siehe „Redaktionsschluss“, ohne die 2), aber da war der Übergang zu wenig überraschend. Das bedeutet, dass dieser Übergang immer auch den Leser aus der visuellen Routine herausholen muss, oder?


Zu Übergang 4: "Von Szene zu Szene"
Mein Beispiel: Verknüpfung zweier Sequenzen. Dieser Übergang ermöglicht es, einen zweiten Erzählstrang aufzumachen bzw. zu ihm überzuleiten. Damit ist Übergang 4 essentiell für die Schaffung komplexerer Geschichten. 
Literaturhistorsch sprengen sie wohl den Rahmen das klassischen antiken Theaters, das eine Einheit von Zeit und Raum vorsieht. 
Im Film (und auch in der Graphic Novel und übrigens auch in der Literatur) ist das parallele Erzählen mehrerer Stränge ein verbreitetes Mittel, um die Spannung zu erhöhen und komplexere Abläufe zu verdeutlichen – allgemein etwas, das man mit literarischer und erzählerischer Qualität verbindet. 

Dieser Übergang funktioniert auch für Zeitsprünge in die Vergangenheit oder Zukunft. Tücken sehe ich hier nicht direkt – höchstens dass sich der Autor in seiner Geschichte verheddert (eher unwahrscheinlich) oder dass sich der Leser in einem erzählerischen Labyrinth verirrt.


Carola:

Übergang 4, Szene zu Szene:

Von Szene zu Szene sind Übergänge in denen 
a) RAUM   und 
b) ZEIT      „ übersprungen“ werden .
Der Leser wird beim „Sprung“ von 
a) RAUM ( Örtlichkeit ) und 
b) Zeit  
in enorme Spannung versetzt  , dennoch soll er in der Lage sein , eine Schlussfolgerung ziehen zu können .
Meine Schwierigkeit dabei :
wieviel Zeit kann zwischen den Szenen liegen ?
wie unterschiedlich können die Räume sein ? ,
um dennoch eine , oder mehrere ? Schlussfolgerungen zu ziehen .



Boris:




Aufgaben:

1 Zeigt mit 2,3 Fotos zum Thema "Schatten" einen Prozess extremer Reduktion und Verfremdung und wie 

entweder 
- Zeichner/Maler daraus eine Panelfolge destillieren können mit ihren grafischen Mitteln

oder
- wie ein Fotograf durch extreme Licht/Schattengestaltung und extreme Auswahl eine grafische Lösung erzielen kann. *)


2 - Illustriert eine Szene/Passage oder ein Element eurer bereits bestehenden oder eine freie Arbeit mit dem, was Scott McCloud S.78 als "ÜBERGANG 5 - Von Gesichtspunkt zu Gesichtspunkt" vorstellt. 

Schreibt euch kurz auf, was ihr mit diesem Übergang verbindet, welche Tücken und Stärken sie haben mag und was sie aus eurer Sicht leisten kann.

Erklärt euch und anderen, wie ihr diesen Übergang in eurer Story verwendet und warum, am Besten anhand von konkreten Stellen und dem heute skizzierten Plot eurer Geschichte.


*) Metapher "Schatten" :

Viktor I. Stoichita
Eine kurze Geschichte des Schattens

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.08.2000
Albert von Schirnding weist zunächst darauf hin, dass der Autor sich hier vor allem mit der Bedeutung der Schattens in der abendländischen Malerei beschäftigt, dabei jedoch auch Ausflüge in die "begleitende Kunsttheorie, (...) Literatur und Fotografie" unternimmt. Die Lektüre hat dem Rezensenten eine solche Vielzahl von Erkenntnissen beschert, dass er sie - wie er anmerkt - unmöglich alle detailliert besprechen kann. Und so hebt er zwei Aspekte gesondert hervor. Zum einen ist es die "Unterordnung des Schattens unter den Spiegel, (die) seine Einverleibung zur Folge hat". Dabei bezieht sich der Rezensent auf Plinius, der die Geburt der Malerei als den Versuch, einen Schatten festzuhalten, beschreibt und Albertis These von 1435, der Narziss und die Spiegelung des eigenen Antlitzes sowie den Wunsch, sich selbst künstlerisch festzuhalten als Ursprung neuzeitlicher Malerei bezeichnet. Der zweite Aspekt betrifft die "Opposition von Spiegel und Schatten". Als Beispiel nennt der Rezensent die Silhouetten in Lavaters "Physiognomischen Fragmenten", in denen das Ich auf Umwegen besonders deutlich wird oder auch C.G. Jung, für den der Schatten die "ins Unbewusste verdrängte Komponenten" repräsentiert.







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